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Fynn Becker

Medien
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Eine Multimediastory von Fynn Becker

Medieval Armored Combat

Yumna, eine Buhurt-Schwertkämpferin, zwischen Kampf und Dienst

Muskeln zucken unter der Rüstung. Der Atem wird schneller. Die Augen fixieren den Gegner. Sekundenbruchteile später kracht Stahl auf Stahl. Was auf den ersten Blick aussehen mag wie ein Mittelaltermarkt für Hartgesottene, ist knallharter Vollkontaktsport. Das ist Buhurt und Yumna ist mittendrin. Yumna ist Athletin, Soldatin und Schwertkämpferin.



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Yumna (Spitzname Yumi) ist Personalunteroffizier und Buhurt-Schwertkämpferin

Vom Kampf um Ehre zum Sport

Der Begriff Buhurt stammt aus dem Altfranzösischen béhourd, was so viel wie stoßen oder zusammenprallen bedeutet. Seinen Ursprung findet der Sport in Form von mittelalterlichen Turnieren, bei dem Gruppen von Rittern in simulierten Schlachten gegeneinander antraten. Diese Massenkämpfe dienten mitunter der Unterhaltung Adliger, verfolgten allerdings auch den Zweck die eigenen Kräfte für den Ernstfall und die Schlacht vorzubereiten.

Bereits im 12. Jahrhundert war der Buhurt in Europa weit verbreitet. Häufig fanden die Turniere im Rahmen von Festlichkeiten statt. Dadurch bekamen Ritter die Möglichkeit ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und Ruhm zu erlangen. Allerdings waren diese Veranstaltungen mit einem gewissen Risiko verbunden. Regelmäßig kam es zu schweren Verletzungen und nicht gerade selten zu Todesfällen.

Die Kirche und westliche Herrscher reagierten auf die Gefahren des Buhurt mit Verboten und ernsthaften Konsequenzen. 1130 n. Chr. untersagte Papst Innozenz II. Turniere dieser Art. Außerdem verweigerte er den im Kampf Gefallenen ein christliches Begräbnis. Auch in England traf der Buhurt auf Verbote. König Heinrich II. verbot die Turniere, da sie als Bedrohung für das Einhalten der öffentlichen Ordnung galten. Trotz dieser Verbote blieb der Buhurt beliebt und wurde weiterhin praktiziert. Oft unter dem Deckmantel von Fest- und Reiterspielen.

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Teamkapitän Heli über den Buhurt-Sport heute.

Buhurt entwickelt sich weiter

Im Laufe der Zeit entwickelten sich aus dem Buhurt verschiedene Turnierformen, darunter das Turnei, ein Gruppenkampf mit scharfen oder stumpfen Waffen und der Tjost, ein Einzelkampf mit der Lanze. Obgleich der Buhurt als weniger gefährlich galt, waren die anderen Formen oft blutiger und führten zu strengeren Reglementierungen. Im 13. Jahrhundert begannen Veranstalter, Sicherheitsmaßnahmen wie stumpfe Waffen und spezielle Rüstungen einzuführen, um die Verletzungsgefahr zu minimieren.

Mit dem Niedergang des Rittertums im späten Mittelalter verlor der Buhurt an Bedeutung und geriet in Vergessenheit. Erst im späten 20. Jahrhundert erlebte er eine Renaissance: In den 1990er Jahren begannen Enthusiasten in Osteuropa, historische Kampftechniken zu rekonstruieren und Buhurt als modernen Vollkontaktsport zu etablieren. Die Gründung von Organisationen wie der Historical Medieval Battle International Association (HMBIA) sowie die Einführung internationaler Turniere wie der Battle of the Nations im Jahr 2010 trugen zur globalen Verbreitung des Sports bei.

Buhurt stellt einen anspruchsvollen Sport dar, der eine hohe körperliche Fitness, technische Fertigkeiten und taktisches Denken erfordert. In diesem Kontext treten Kämpfer in authentischen Rüstungen gegeneinander an und nutzen stumpfe Waffen, um ihre Gegner zu besiegen. Trotz der physisch anspruchsvollen Natur der Kämpfe, wird bei der Durchführung besonderer Wert auf die Aspekte der Sicherheit und Fairness gelegt. Der moderne Buhurt vereint die Faszination für mittelalterliche Kampfkunst mit den Anforderungen eines zeitgenössischen Wettkampfsports.





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Sporterklärung durch Teamkapitän Heli

Der Körper als Waffe

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Erklärung der Ausrüstung

Die Buhurt-Rüstung wiegt je nach Material bis zu 35 kg. Helm, Brustpanzer, Beinschienen...das alles besteht aus Stahl. Das Gewicht erschwert die Bewegung. Eine jede Handlung, egal ob in der Verteidigung oder im Angriff erfordert Kraft und Präzision. Die Kosten der Rüstung liegen, für eine gebrauchte Rüstung, bei 1.500 Euro. Der Preis kann bei einer eigenen Rüstung je nach Schmied, Stil und Material auf

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und mehr aufsteigen. Kämpfer müssen dabei zwischen Schutz und Flexibilität wählen. Demnach fällt die Entscheidung zwischen einer Stahl- und einer Titanrüstung.

Buhurt-Kämpferin Yumi

Doch reicht es im Buhurt keinesweges, nur gut auszusehen. Eine glänzende Rüstung mag Eindruck machen, entscheidet aber noch lange keinen Kampf. Auch Yumi stand vor dem taktischen Entschluss: Wie viel Stahl verträgt die Schulter, bevor ein Sprint zur Qual wird oder die Rüstung blockiert? Wie viel Titan darf sie sich erlauben, ohne die Schutzwirkung zu verspielen. Yumi hat das Experiment bereits hinter sich und weiß, wie sich der stumpfe Schlag eines Axtblatts, das mit brachialer Kraft auf die Brustplatte trifft anfühlt. Sie kennt die Vorteile einer leichten Titanrüstung, wenn sie im Clinch nach innen rotiert.

Ich finde das geil, es macht mir riesigen Spaß!

Yumi

Sagt Yumi, während sie die Armschiene festzurrt. In ihrer Stimme liegt kein Pathos, sondern ehrliche Begeisterung. Doch was wie Leidenschaft aussieht, ist vor allem harte Arbeit. Buhurt beginnt nicht erst mit gekreuzten Schwertern. Er beginnt im Alltag, im Training, im Kraftraum oder auf der Tartanbahn. Unter der Rüstung steckt kein Ritter aus dem Märchenbuch, sondern eine Athletin mit Dienstgrad, eiserner Disziplin und unerschütterlichem Anspruch an sich selbst. Dadurch entsteht unter der stählernen Hülle etwas, was für Außenstehende kaum sichtbar ist: das Zucken der Muskeln in Einklang mit Kondition, Siegeswille und der Ruhe den entscheidenden Moment im Kampf zu lesen, um dem Gegner den entscheidenden Schlag zu versetzen. Das ist der Moment, an dem der Köper mit Rüstung zur Waffe und aus einer Soldatin eine Kriegerin wird.

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Buhurt-Kämpfer beim Softtraining

Ausdauer und Disziplin

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Kampfspruch des Sword Gym München

Yumi trainiert bei Sword Gym München. Einem der führenden Buhurt-Vereine in Deutschland. Das Training findet Donnerstags von 20:00-21:30 in der Turnhalle einer Münchener Grundschule statt. Jeden Donnerstag wird beim sogenannten Softtraining mit Pratzen und leichter Schutzausstattung geübt. Jeder der kämpfen möchte kann teilnehmen. Buhurt ist ein Sport für alle, es kommt dabei insbesondere auf die eigene Disziplin, Ausdauer und das Ausspielen der eigenen Stärken an. Einmal im Monat wird beim harten Training in Rüstung trainiert. Yumis Training ist mehr als Schwertschwingen, es ist vielmehr das perfekte Zusammenspiel zwischen mentaler Stärke, körperlicher Belastbarkeit und eiserner Disziplin.

Selbst abseits des regulären Trainings laßt Yumi nicht locker. Klassisches Kraft- und Ausdauertraining komplettieren ihren Trainingsplan. Muskelgruppen wie Nacken, Rücken, Oberschenkel und Schultern werden insbesondere bei Würfen und Griffen besonders beansprucht.

Ich hatte sehr großen Respekt davor.

Yumi

Yumis Worte hallen nach. Es ist ein Satz, den jeder Neuling versteht. Denn was in der Theorie wie eine Abwandlung des Kampfsports klingt, ist in der Praxis weitaus mehr. Wer sich einmal selbst auf die Matte stellt, merkt schnell: Buhurt ist kein Sport für Halbherzige.

Die Luft in der Halle ist warm und feucht vom Schweiß. Körper prallen klatschend auf Pratzen, Turnschuhe schleifen über den Boden. Zwischendurch hört man immer wieder Anweisungen. Knapp und präzise dringen sie durch die Luft. Alles in Bewegung, jeder Muskel auf Spannung.

Dabei ist das nur das Softtraining. Einmal im Monat gilt es das Gelernte im Härtetest anzuwenden. Der Kopf muss wach bleiben, wenn der Puls unter der schweren Rüstung hämmert und das Atmen schwer fällt.



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Das Training in Rüstung mit Vollkontakt

Taktik ist mehr als stumpfes Draufhauen

Die "List" ist das Herzstück jedes Buhurt-Turniers. Sie ist der Rahmen für kontrollierte Brutalität und gebaut um Rüstungen, Körper und Willen zu bändigen.

Wer denkt beim Buhurt ginge es um rohe Gewalt und wilden Brawl, der irrt gewaltig. Struktur, klare Regeln und taktische Feinheiten sind ebenso essenziel, wie der vernichtende Schlag um den Gegner in die Knie zu zwingen. Positionierungen, Rollenverteilungen, Kommandos. Alles muss für den Kampf wie bei einem Schachspiel strategisch durchdacht und ausgeführt werden. Die Rüstung schützt, aber sie vergibt nichts. Jeder Fehler wiegt schwer, jedes Zögern kostet Zeit, Kraft und Ausdauer.

In der so genannten "List" trainieren die Kämpfer unter Anleitung des erfahrenen Teamkapitäns Heli gezielte Kampfabschnitte. Darunter immer wieder Würfe, Kettenkombinationen, das Niederringen. Das alles gnadenlos mit Vollkontakt. Die Kommunikation läuft dabei häufig durch laute Zurufe einzelner Worte ab. Durch die Helme sind klare Absprachen kaum möglich. Im Team ist ein perfektes Zusammenspiel und der Überblick zwingend erforderlich. Buhurt beginnt im Körper, aber wird im Kopf entschieden.

Doch selbst der wildeste Stahlkampf folgt einem Kodex. Es gibt auch beim Buhurt Regeln, die Ordnung aufs Schlachtfeld bringen.

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Teamkapitän Heli erklärt die Regeln

Turniere als Support

Beim Turnier der Eisenliga in Worms reist Yumi zwar mit, kommt dort selbst aber nicht zum Einsatz.

Als Support kümmere ich mich unter anderem darum, dass mir keiner umklappt, weil er zu wenig getrunken hat.

Yumi

Zeltaufbau



Doch auch ohne eigenen Kampfeinsatz ist ihre Rolle von wichtiger Bedeutung. Als Support unterstützt sie unter anderem beim Aufbau, hilft beim anziehen der schweren Rüstung und reicht erschöpften Teammitgliedern Wasser. Beim Buhurt zählt jeder Handgriff. Rüstungen müssen vorbereitet, Kämpfe beobachtet und analysiert werden. Auch hier ist Yumi konzentriert und engagiert bei der Sache.





Wenige Wochen später: nach dem Turnier in Worms standen weitere Wettkämpfe in Österreich und Ungarn auf dem Programm. Yumi, die noch immer auf ihre erste eigene Rüstung spart, unterstützt bis dahin weiterhin ihr Team tatkräftig von der Seitenlinie aus. In Österreich erreichte das Team einen starken zweiten, in Ungarn einen guten dritten Platz. Dabei leistete Yumi in entscheidenden Momenten wertvolle Hilfe – sei es beim schnellen Austausch defekter Rüstungsteile, der Versorgung ihrer Teamkameraden oder durch lautstarkes Anfeuern.

Zurück in München zieht Yumi Bilanz...

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Buhurt mag ein Nischensport sein, aber er lebt. Durch Kämpferinnen wie Yumi, durch Vereine wie das Sword Gym München und durch Geschichten wie diese....