Höher, schneller, weiter! Sportliche Superlative sind das Manna von Sportjournalisten. Davon nähren sie ihre Berichte, Reportagen und Kommentare. Doch was passiert, wenn es bei einem Event nicht um Höchstleistung geht, sondern um eine gesellschaftliches Anliegen? Wir werfen einen Blick auf klassische Erzähmuster im Sportjournalismus und darauf, was Stefan Huss, Botschafter der Invictus Games 2023, sich von den Medien wünscht.
Unter dem Motto "A Home for Respect" werden vom 9. bis zum 16. September 2023 die Invictus Games in Düsseldorf ausgetragen. Die Games sind ein internationales Sportereignis, in dem Soldatinnen und Soldaten, die im Einsatz an Körper oder Seele verwundet wurden, in zehn Disziplinen gegeneinander antreten. Huss erzählt im Video, was die Invictus Games für ihn bedeuten.
„Was die Gesellschaft manchmal vergisst: Den Menschen hinter der Uniform.
Die Invictus Games bieten eine einzigartige Chance, den verwundeten Soldatinnen und Soldaten ein Gesicht zu geben, unsere Geschichten zu erzählen und dazu beizutragen, uns mit Verständnis und Respekt zu begegnen.“
Stefan Huss
Athletinnen und Athleten aus 20 Nationen nehmen an den Invictus Games teil.
„Sport gehört dazu“, schreibt die ARD auf ihrer Website. Sport sei vielfältig, emotional, verbinde und sei für Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen interessant. Im Jahr 2021 seien rund 59 verschiedene Sportarten im Ersten übertragen worden. Nicht jede Sportart sei prädestiniert für die Fernsehübertragung, berichtet Stefan Kürten, EBU-Direktor für Sport und Geschäftsstrategie, in einem Gespräch mit Matthias Friebe im Deutschlandfunk. Die wichtigsten Kriterien, um Sport im Fernsehen übertragen zu können, seien eine klare Dramaturgie, ein vorhandener Zeitablauf und einfach zu verstehende Regeln.
In der klassischen Dramaturgie gibt es meist eine heldenhafte Figur, die vor einer großen Herausforderung steht, die es mithilfe von Mut und Mentoren zu bewältigen gilt. Dabei muss der Gegenspieler unschädlich gemacht werden. Wenn die Heldenfigur ein Underdog ist und nicht der Favorit - umso besser für das Storytelling.
hat eine Heldenreise laut Joseph Cambell in "The Heros Journey"
Sportberichterstattung funktioniert meistens genauso: Die Sportler stellen sich immer größer werdenden sportlichen Herausforderungen. Es gibt einen Gegner, es geht ums Ganze, es geht um den Sieg.
Matthias Killing, ein Sportjournalist von Sat.1 ran erzählt: „Die Dramaturgie ergibt sich aus den Geschichten, die auf einem großen Event passieren“. Menschen würden diese Geschichten selbst erleben und er entscheide dann, was gerade für seine Zuschauer interessant wäre. „Kenne dein Publikum“, sei einer seiner wichtigsten Leitsätze in der Sportberichterstattung.
Matthias Killing ist Sportreporter bei Sat.1 ran.
Sportberichterstattung funktioniert über Leistung und Emotion. Das sportliche Wunder - darüber wird berichtet.
Matthias Killing
Manche kritisieren die stereotype Berichterstattung. "Vorgeworfen wird der Sportberichterstattung und damit indirekt den Sportjournalisten die Tendenz zur Sensationsmache und zum Medienspektakel, der Starkult, die Orientierung am Massengeschmack, die Dominanz des Leistungssports, vor allem des Fußballs, nationalistische und chauvinistische Tendenzen, Beschränkungen auf vordergründige Erscheinungen des Sports etc." schreibt beispielsweise Helmut Digel, emeritierter Professor der Universität Tübingen, auf seiner Website sport-nachgedacht.de.
Doch die Dramaturgie bei Sportereignissen wie den Invictus Games muss eine andere, nicht auf Leistung fixierte, sein. Laut des Pressematerials der Invictus Games stellen die Spiele den Menschen in den Mittelpunkt. Und vor allem die Willenskraft und den Mut, sich trotz Beeinträchtigung neue Perspektiven erarbeitet zu haben.
Es braucht mehr als Mitleid und Bewunderung.
Judyta Smykowski
Judyta Smykowski leitet die Redaktion vom Online Magazin "Die Neue Norm". Sie formuliert in einem Artikel für die Neuen deutschen Medienmacher*innen, wie Journalistinnen und Journalisten über beeinträchtigte und behinderte Menschen konktuktiv berichten könnten. So sei der gern verwendete Ausdruck "an einer Behinderung leiden" zum Beispiel unzutreffend, da die Menschen möglicherweise gar nicht darunter litten, sondern vielmehr mit ihr lebten. Stärker als die Behinderung solle die Persönlichkeit im Fokus stehen.
„Das Thema Inklusion und Diversität ist ein Zeitgeist in unserer Gesellschaftsstruktur“, meint Killing. Daher würden die Medien über verschiedene Inklusions-Sportveranstaltungen berichten.
Die Invictus Games bieten Sportjournalistinnen und Sportjournaisten die Chance, differenzierte Geschichten über Menschen zu erzählen, die über die Aktualität eines Sportereignisses hinausgehen und Rehabilitation und Teilhabe von verwundeten Soladatinnen und Soldaten in den Fokus der Öffentlichkeit rücken.
Video von Nicolas Enders und Jonas Hackbusch.