MÜNCHEN
Zum AnfangEine deutsche Stadt im April 2020München steht still
Eine Stadt macht eine Vollbremsung. Für die Bewohner bedeutet das Veränderung. Was machen die Auswirkungen des Coronavirus und die Maßnahmen gegen die Pandemie mit München und den Münchnern?
Ein Portrait über das Lebensgefühl einer Stadt und neun seiner Bewohner in der Pandemie.
von Marc A. Wietfeld
Das Virus erreicht MünchenDer erste Fall in BayernEin Mann aus Starnberg steckt sich bei einer Arbeitskollegin aus China an
Keiner der neun Protagonisten dieser Reportage hat mit dem gerechnet, was dann kam. Dass aus dem Virus eine Pandemie wird, die jeden einzelnen von ihnen betrifft. Für alle neun hat die Pandemie Folgen. Für jeden andere.
Die Kanzlerin wendet sich in einer Fernsehansprache an die Bundesbürger."Es ist ernst, nehmen Sie es auch ernst."
Pressekonferenz: Ministerpräsident Dr. Markus SöderAusgangsbeschränkungenMaßnahmen gegen die Pandemie in Bayern
Verzichten, verlieren, verlegen, verschieben.Neun Münchner im AusnahmezustandEine Pandemie kennt keine Gewinner.
Jeder von ihnen verliert etwas:
Ein Priester seine Gläubigen. Eine Lehrerin ihre Klasse. Eine Politikerin ihren Wahlkampf. Unternehmer und Gastronomen ihre Kunden. Paare ihren Freiraum. Und Wohnungslose, die am wenigsten haben, verlieren am meisten.
Aber jede Krise hat auch etwas Gutes an sich. Jeder der neun Münchner verändert sich während der Pandemie, ändert seine Sicht auf die Dinge, verschiebt Prioritäten und gewinnt am Ende Einsichten, die München nach der Krise besser machen könnten, als es davor war.
Auf diesen Seiten wird ihre Geschichte stellvertretend für die ganze Stadt erzählt.
Klicke auf die Fenster um zum Porträt der jeweiligen Person zu gelangen:
Sich bewahren, was man durch die Pandmie gelernt hat
Was wirklich wichtig ist
Eine Chance für das Miteinander der Menschen
Chance für die Menschlichkeit
Solidarität bewahren
Für mehr Miteinander, statt gegeneinander
Neue Balance & Skype
Gerüstet für die nächste Krise
Hilfe für die Helfer
In der Krise plötzlich relevant
Genügsamkeit
Sich an den kleinen Dingen freuen
Aus Wettbewerbern werden Partner
Eine Branche rückt zusammen
Projektinformationen
Universität der Bundeswehr München,
Fakultät für Betriebswirtschaft,
Institut für Journalistik,
im Studiengang Management & Medien (HAW),
Jahrgang 2017.
Ich bedanke mich für die Förderung durch die Hanns-Seidel-Stiftung. Außerdem danke ich dem Medienzentrum der Universität der Bundeswehr München, sowie dem Institut für Journalistik und dessen Mitarbeitern.
Politik / Wahlkampf / Kristina Frank
Oberbürgermeisterkandidatin Kristina Frank
Das Motto von Kristinas Wahlkampf lautet
„Wieder München werden“. Und das in einer Zeit, in der München nicht wiederzuerkennen ist.
Dieser Schriftzug auf den Plakaten in den leergefegten Straßen mutet fast ironisch an.
Als der Ministerpräsident Markus Söder am 20. März in einer Pressekonferenz die Ausgangsbeschränkungen verkündet, hat Kristina es schon in die Stichwahl gegen den amtierenden Oberbürgermeister Dieter Reiter geschafft.
Wählen konnte man bis dahin noch in den Wahllokalen. Die Stichwahl wird nur noch per Brief möglich sein. Kristina wird die Wahl verlieren.
Wie Kristina die Pressekonferenz des Ministerpräsidenten erlebt hat
Pandemie schlägt Wahlkampf
Kristina bei der örtlichen Feuerwehr. Kristina in der Allianzarena auf dem Rasen. Kristina bei einer Gala in der Residenz. Kristina bei München.tv.
Und Kristina beim BikeTalk, einem eigenen Format, bei dem sie mit einem Fahrradwagen zu den Münchnern fährt und sie einlädt mit ihr über ihre Anliegen und das Leben in der Stadt zu sprechen, in der sie Oberbürgermeisterin werden möchte.
Ihr Wahlkampf baut auf Nähe zum Büger.
Digitaler WahlkampfVon der Straße ins Netz: Wahlkampf onlineYoutube, Jodel, WhatsApp und Instagram
Kristinas Glück ist, dass sie neben dem Wahlkampf nah am Menschen schon früh auf den Wahlkampf im Netz gesetzt hat und dafür mit einer professionellen Agentur zusammenarbeitet.
Kristinas Pech ist: das Letzte, was ein Mensch womöglich in so einer Krise möchte, ist noch mehr Veränderung. Und das, so Kristina: "lässt sich an den Wahlergebnissen ablesen".
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Drei Rollen
Das stelle sie und ihren Ehemann vor größte Herausforderungen, gibt sie zu. Keine Kinderbetreuung. Keine Möglichkeit, das Kind von den Großeltern betreuen zu lassen. Im Referat ist sie Vorgesetzte von Mitarbeitern, denen es ähnlich geht. So wie auch zahlreichen anderen Eltern in München.
"Zusammen haben wir unglaublich viel Kraft.""Ich habe eine große Solidarität wahrgenommen."
Sie sagt, sie denke an die Pfleger und Ärzte, die sich unter schlechten Ausgangsvorraussetzungen und mit mangelndem Material der Krise entgegenstellen. An die Menschen, die Dienst direkt am Menschen tun, im Supermarkt, an den Wertstoffhöfen, in der Landwirtschaft. Als Politikerin sieht sie aber auch die Münchner in der zweiten und dritten Reihe. Die, administrativ mit dem Kopf oder finanziell mit dem Geldbeutel, der Krise etwas entgegensetzen.
Aber für erstere muss spätestens nach der Krise etwas getan werden, fordert sie. Dafür kann die Krise irgendwann gut gewesen sein.
München hat die Chance, den in der Krise bewiesenen Zusammenhalt in Zukunft beizubehalten.
"Für mehr Miteinander, statt gegeneinander."
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Krankenhäuser / Pflege / Theiss
Hans Theiss
Er beschließt, auch diesen Weg zu gehen. Heute ist er Oberarzt für Kardiologie im Klinikum der LMU in Großhadern und Professor für Innere Medizin.
Seine Eltern hat er vor der Pandemie einmal wöchentlich besucht. Durch seine Arbeit im Krankenhaus ist das Risiko einer Ansteckung für sie jedoch nicht zumutbar. Daher sieht er sie zurzeit nicht mehr.
(Foto: Prof. Dr. Theiss)
Münchens KrankenhäuserWarten auf die Welle
Nach der Operation sieht sich Theiss die Ansprache der Kanzlerin in einer ruhigen Ecke im Krankenhaus auf seinem Handy an.
Er erlebt die Auswirkungen der Pandemie und der damit einhergehenden politischen Entscheidungen an vorderster Front. Im Krankenhaus. Für ihn käme die Rede zu spät und sei zu zögerlich.
Intensivbetten
Das sei nicht die Anzahl der Beamtungsgeräte oder der Intensivbetten, damit sieht er die Klinik gut ausgerüstet. Die kritische Größe sei das Pflegepersonal. Diejenigen, auf die es jetzt besonders ankommt, sind gleichzeitig die, denen München zuvor am wenigsten gerecht geworden ist.
Einem Gutachten des Deutschen Krankenhausinstituts zufolge kommen in Deutschland auf ein belegtes Intensivbett 2,8 Pflegekräfte. Eine Intensivstation wird in drei Schichten betrieben. Will man also die Zahl der Intensivbetten in München erhöhen, braucht man keine Ausrüstung sondern Pfleger.
Plötzlich relevant
Dieses Thema ist auch die Chance der Krise. Dass man in Zukunft etwas ändert für die, auf die es insbesondere ankommt.
Diejenigen, die in normalen Zeiten mit Mindestlohn und Nachtschicht zu kämpfen haben, sind jetzt das, was man die Großbanken in Europa in der Finanzkrise 2008 waren:
systemrelevant.
Anwälte, Marketing-Manager und Unternehmensberater haben der Pandemie wenig entgegenzusetzen. Pfleger, Paketboten, Polizisten und Supermarktkassierer jedoch schon.
Ein Krankenpfleger in Bayern verdient im Durchschnitt zwischen 2.743€ und 3.190€ brutto. Die einen haben den Wohlstand und applaudieren vom Balkon, die anderen haben die Arbeit und damit auch das Ansteckungsrisiko.
Theiss ist gespannt. Gespannt, wie der Stadtrat in München abstimmen wird über seine Vorschläge, die Pflegekräfte zu unterstützen. Ob man sich daran erinnern wird, wer in der Krise für die Menschen da war.
Hoffnung dafür geben die 126 Millionen Euro, die der Freistaat für den Corona-Pflegekräfte-Bonus eingeplant und freigegeben hat. Damit können Pflegekräfte einen Bonus in Höhe von 500€ beantragen.
Hilfe für die Helfer. Bisher sind mehr als 154.000 Anträge eingegangen.
Ehe / Unternehmer
UnternehmerehepaarJana & Tobi
Beide sind Solo-Selbstständig. Beide sind Heilpraktiker.
Sie ist zusätzlich freiberufliche Texterin.
Beide sind kommunikativ. Er ist der Typus, der sich gerne mitteilt, sie der, der gerne zuhört. Tobi ist einer dem man gerne zuhört, Jana jemand, dem man gerne etwas erzählt.
Der "Lockdown" in München ist eine Herausforderung für Unternehmen. Und für Ehen.
"Ein historischer Moment."
Die Kanzlerin hat zwei Stunden zuvor eine Fernsehansprache gehalten. Jana verfolgt keine Nachrichten, sie verzichtet bewusst darauf.
Dass die Kanzlerin sprechen würde hat sie zwar mitbekommen, aber es war ihr nicht wichtig, es live zu sehen. Dann wird Tobi die Ansprache in der Timeline angezeigt. Er klickt drauf:
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"Geschäftlich besorgt aber noch nicht panisch."
Sie beantragt Soforthilfe. Die Beantragung ist undurchsichtig, sie recherchiert über verschiedenste Hilfen, teilweise vom Bund, teilweise vom Land Bayern, mal ist da die Rede von 5.000€ mal von 9.000€. Jana arbeitet sich durch Dokumente und Formulare, die sie online findet. Die Vorraussetzungen, um Hilfen zu erhalten, sind für sie unklar.
Mit den Soforthilfen will sie versuchen Kosten für Miet -und Steuerzahlungen abzupuffern, sagt sie.
Die Soforthilfe für ihr Unternehmen wird vier Wochen später abgelehnt. Schnelle Hilfe und Solidarität erlebt sie jedoch von anderer Stelle:
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Antrag abgelehnt
Der Ablauf habe sich geändert, der Antrag sei nicht bearbeitet. Sie wird gebeten, den Antrag nun nochmals online einzureichen.
Diesmal bekommt sie eine schnelle Antwort: Der Antrag wird abgelehnt. Gründe werden nicht angegeben.
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Praxis ohne PatientenMünchens Unternehmern brechen die Umsätze weg"Wir dürfen weiter praktizieren, aber kaum ein Patient weiß es."
Bayern ist eines von drei Bundesländern in Deutschland, in dem Heilpraktiker aufgrund der medizinischen Versorgungspflicht weiter praktizieren dürfen.
Trotzdem bricht ihm der Umsatz um 90 Prozent ein. Seine etablierte Praxis in Unterhaching ist leer.
Als er an diesem Nachmittag in seiner Praxis darüber spricht, ist er besonders enttäuscht über die Politik.
Soforthilfe
Tobi gestikuliert stark, fast jeden Satz untermalt er durch eine Handbewegung. Wenn er über den Antrag auf Soforthilfe spricht, den er bei der Regierung von Oberbayern gestellt hat, wird seine Gestik noch ausgeprägter. Es regt ihn auf. Er fühlt sich, stellvertretend für seinen ganzen Berufsstand, vorgeführt von der Politik: „Der Rahmen und die Voraussetzungen sind nicht immer ganz so einfach, wie das gerne in der Presse dargestellt wird.“ fügt er entnervt hinzu.
Seinen eingereichten Antrag auf Soforthilfe wird er bis Ende April erneut stellen müssen. Geld wird er in den die nächsten Monaten nicht bekommen. Er fühlt sich alleine gelassen.
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Ohne Arbeitsmittel keine Arbeit
Tobi sieht sich bald gezwungen, die
Praxis zu schließen.
Die Masken werden knapp
Die Masken werden knapp,
die Preise steigen.
Produktionsland: China
Bei wichtigen Medikamenten und medizinischem Material darf es keine Zentralisierung der Produktion im Ausland geben.
"Dass wir beide Unternehmer sind, macht uns und unsere Ehe aus."
Jana und Tobi sind gerne Unternehmer. Auch während der Pandemie.
Sie würden den Lebensstil und die Freiheit, die ihnen die Selbstständigkeit bietet, nicht gegen ein sicheres Gehalt tauschen wollen.
"Dadurch, dass wir selbstständig sind, haben wir die Freiheit, unser Schicksal jetzt auch selbst in die Hand zu nehmen."
Um die beiden Unternehmen krisensicherer zu machen, bieten die beiden in Zukunft Onlinesprechstunden und Weiterbildungen an.
"Ein Geschäft, das ein oder zwei Monate Umsatzausfall nicht überlebt, ist es nicht wert, gerettet zu werden".
Solche Aussagen hören Kleinunternehmer wie Jana und Tobi in der derzeitigen Lage häufig. Tobi empfindet das als Affront.
Rücklagen bilden in guten Zeiten, um für schlechte vorzusorgen, das empfindet Tobi als unternehmerische Pflicht. Aber als Kleinunternehmer Krisen zu überstehen, die selbst Konzerne zu Fall bringen, das hält er nicht für realistisch.
Viel mehr zeigt die Krise, dass viele Praxen in Deutschland in vielerlei Hinsicht auf wackeligen Beinen stehen. Das Arbeitsmaterial geht innerhalb weniger Wochen aus. Die Praxen und medizinischen Dienstleister erhalten in einer Krise keinen schnellen finanziellen Rückhalt. Es gibt zu wenig Pflegekräfte und diejenigen, die bereit sind, diesen Beruf zu ergreifen, können nicht vom Gehalt leben, beschwert sich Tobi.
Wieder ein Fingerzeig in Richtung Regierung von ihm: "Diejenigen, die vorher alles privatisiert haben, die das Gesundheitssystem kapitalistischen Prinzipien unterworfen haben, präsentieren sich jetzt als Krisenmanager und starten Aufrufe für mehr Anerkennung des medizinischen Personals.
Davon lässt sich aber die Miete nicht bezahlen."
Am Ende des Gesprächs formuliert er einen Satz, der nachhallt:
"Ein funktionierendes Gesundheitssystem muss sich eine Volkswirtschaft wie die deutsche auch leisten wollen".
"Welche Pläne wir verschieben mussten? Alle!"
„Unsere sozialen Kontakte sind nahezu auf null runtergefahren.“
Jana findet, dass es zwei Arten von Menschen in der Zeit der Pandemie gibt. Die, die eher lethargisch reagieren und die, die produktiv und kreativ werden. Sie zählt sich zu den produktiven und geht überfällige aber auch ganz neue Projekte an. Tobi nutzt die Zeit ähnlich und schreibt an einem eigenen Buch.
Und sie kommen runter. Die beiden erklären sich das als eine neue Ruhe: "Wenn alles stillsteht, dann ist es in Ordnung selbst auch mal stillzustehen."
"Man wird schon sehr auf sich und seine Ehe zurückgeworfen."
Von vielen Patienten hört sie von sich zuspitzenden familiären Konflikten. Die meisten ihrer Kunden sind Akademiker, Selbstzahler, und zwischen 25 und 50 Jahren alt.
Sie ist froh, dass sie und Tobi bisher keine Probleme haben - sogar die gemeinsame Zeit genießen können. "Noch haben wir uns noch nicht die Köpfe eingeschlagen." beschreibt es Tobi. Abstand gewinnen sie dadurch, dass beide noch arbeiten können. Teilweise zuhause, meist aber in ihren Praxen. Jana geht jeden zweiten Tag in einen Reitstall zu ihrem Pferd. Das ist für sie ein Kraftort.
"Tobi kocht, ich putze."Ehealltag in der Pandemie
Ein neues Ritual hat sich etabliert, abends gehen sie zusammen in die Sauna im Keller. Früher ging das nicht, da waren sie abends oft noch unterwegs.
Jana fühlt sich ironischerweise während der Pandemie gesünder als sonst. Der stressige Alltag hat ihr sonst Kopfschmerzen und Erkältungen beschert. Seit ihr Leben reizärmer ist, fühlt sie sich besser.
Herausfordernd für sie im neuen Alltag ist aber, sich Zeit für sich zu nehmen, obwohl Tobi da ist:
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Die Balance beibehalten. "Weniger pendeln, weniger Straßen verstopfen."
"Wenn ich Musik hören will, dann hör ich welche, wenn nicht dann nicht." bringt es Tobi auf den Punkt. Sogar für etwas, das so simpel ist, braucht es manchmal eine Rückbesinnung.
Wie viele andere Münchner haben sie erkannt, dass beruflich vom Homeoffice aus viel mehr geht, als sie dachten. Das wird ihr Arbeiten in Zukunft nachhaltig verändern.
"Man kann wirklich vieles, zwar nicht alles, aber wirklich vieles über Skype machen." Jana hat das Gefühl, dass das einigen Klienten sogar besser gefällt. Man kann damit wirklich Zeit und Geld sparen und in der nächsten Krise handlungsfähiger bleiben.
Kirche / Grundgesetz / Franzl
Der Herr ist nahe, allen die ihn rufen.Domkapitular Monsingore Franzl"Die Feier einer Liturgie ist ein kommunikatives Geschehen. Dies ist nahezu nicht gegeben, wenn man vor einer Kamera steht und Gottesdienst feiert." - Domkapitular Monsignore Franzl
Frauenkirche MünchenEine Kirche ohne Gläubige
Gottesdienste sind Veranstaltungen. Veranstaltungen sind untersagt. Die Kirchen bleiben leer.
Ist ein Gottesdienst, der in einer Kirche ohne Gläubige gehalten wird, einen Gottesdienst wert?
Tiefer Blick
Man solle einen Blick dafür bewahren, was man in und durch die Pandemie gelernt hat:
Dass man Sorge für Ältere und Schwache trägt. Dass Pflegerinnen und Pfleger in Altenheimen und Krankenhäusern einen unbezahlbaren Dienst für uns und unsere Angehörigen leisten. Dass Europa nur gemeinsam eine Chance hat und dass Religionsfreiheit keine Selbstverständlichkeit ist.
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Caritas / Suppenküche / Yvonne
Hilfe für Wohnungslose Yvonne
Viele Essenausgabestellen müssen schließen, da die Ehrenamtlichen, die sie betreiben, zur Risikogruppe gehören.
Darum wurde, neben anderen Notmaßnahmen, das "Brot & Mantel"-Projekt in der Schwanthalerstraße ins Leben gerufen. Brot steht für die Suppenküche, die Yvonne leitet, Mantel für eine Ausgabe von Kleidung ein Haus weiter.
In Zusammenarbeit mit der Diakonie, der Stadt München und einer Schweizer Bank, die das Gebäude kostenlos stellt, versucht sie, die Auswirkungen auf die Bedürftigen abzufangen.
Wohnungslose in MünchenDie Ärmsten unter uns trifft es am schlimmsten
Während dieser Pandemie verliert jeder etwas. Die, die am wenigsten haben, verlieren jedoch paradoxerweise am meisten.
Yvonne versucht sie wenigstens mit dem Nötigsten auszustatten.
Alle sind sehr dankbar
Tüteninhalt
1 x Banane und/oder Apfel
2 x Scheibe Brot
3 x Käse 2 x Wurst
2 x Süßigkeiten 1 x Taschentücher
Mehr als Essen & Trinken
Ein alter Herr, der einen großen Plastikbeutel mit seinen Habseeligkeiten trägt, genießt es merklich mit Elisabeth, einer ehrenamtlichen Helferin der Caritas, zu sprechen. Sie unterhalten sich über ganz normale und alltägliche Dinge. Über das Wetter, den Kaffee, nicht über Corona und die Armut. Ein Gespräch zwischen einer Helferin und einem Hilfsbedürftigen gleicht in diesem Moment mehr einem Gespräch zwischen Nachbarn. Das ist schön. Für Beide.
Nah am Nächsten
Sie ist Sozialpädagogin, Freiwilligenmanagerin der Caritas und eigentlich für alle Bildungs- und Jugendprojekte rechts der Isar in München zuständig.
Das Wort "eigentlich" fällt außergewöhnlich oft an diesem Morgen, denn im Moment hat die Suppenküche vor den anderen Tätigkeiten Vorrang. Eine der ehrenamtlichen Helferinnen beschreibt Yvonne als die „Managerin aus dem Hintergrund“, was sich als sehr zutreffend herausstellt.
Das baufällige ehemalige Bankgebäude sieht zwar provisorisch aus, ist aber in dieser Notsituation eine willkommene Hilfe.
Der Stadt München dankbar
Von der Stadt München erfährt Yvonne unkomplizierte und unbürokratische Unterstützung bei ihrem Engagement für die Menschen, die auf der Straße leben.
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Foodtruck / Wohnungslose / Dennis
Dennis
Es fällt auf, dass er alleine da sitzt. Er guckt sich das Geschehen am Food-Truck an. Gerade hat er selbst noch daran teilgenommen.
Was hat sich für ihn durch die Pandemie verändert?
Food- Truck
Eine Menschenschlange bildet sich vor dem Food-Truck. Es ist ein hippes Fahrzeug. Normalerweise verkaufen seine Betreiber auf Festivals ausgefallenes Trendfood. Seit drei Wochen nutzt die Caritas den Truck, um Suppe und Kaffee kostenlos an Bedürftige zu verteilen.
Der Truck ist eine von vielen Maßnahmen der Hilfsorgansiation, um Wohnungslose wie Dennis während der Pandemie zu unterstützen.
Schule / Lehrer / Eltern
Die Pandemie bringt Menschen in München in ungewohnte Situationen.Ira
Das "Virus der Einsamkeit" nennen manche Corona. In vielen Fällen stimmt das. Das Virus beendet das Miteinander von Millionen Münchnern. Es trennt von Familie, Freunden und Kollegen.
In manchen Fällen jedoch geraten Menschen gerade durch die Pandemie an Orte und in Situationen, die sie sonst nicht erlebt hätten. Sie treffen Menschen, die sie eigentlich nie getroffen hätten.
Wie unterrichtet eine Lehrerin ein Klasse, die sie nicht sieht?"Eigentlich bin ich woanders."
An diesem Morgen verteilt Ira als freiwillige Helferin Lebensmittel an Wohnungslose.
Wie sie hinter die Theke der Suppenküche gekommen ist?
Sie ist weniger ausgelastet, weil sie nicht mehr in die Schule gehen kann. Die Schulen, Kindergärten und Kitas in Deutschland sind geschlossen.
Ira unterrichtet ihre Klasse digital. Trotzdem hat sie mehr Zeit als sonst, ist auch viel weniger unter Menschen als sonst. Ihre für sie wertvolle und erfüllende Aufgabe als Lehrerin fühlt sich von zuhause aus nicht mehr ganz so wertvoll an, zumindest nicht mehr so erfüllend.
Auf Google gibt sie dann ein: "freiwillige Hilfe Corona München" und findet das Angebot der Caritas, das die Freiwilligenmanagerin Yvonne Möller dort eingestellt hat.
"Ich kann nicht mehr Wandern gehen in den Bergen."
"Man kann sich nicht mehr unbeschwert verabreden." Mit einer Freundin ins Lieblingscafé gehen oder mit Freunden im Park treffen, das geht nicht mehr.
Am schwersten fällt es ihr aber, dass man nicht mehr verreisen kann. "Man arbeitet und dann geht man in den Urlaub." Dieser Rhythmus hat ihr Halt gegeben, sagt sie. Schmunzelnd gibt sie zu, dass sie gar nicht mehr weiß was man denn sonst so macht. Sie braucht einen Ortswechsel, auch wenn es nur ein paar Tage sind.
Ihre Eltern und ihre beste Freundin wohnen in Stuttgart, ihrer ehemaligen Heimat. Eine Aussicht, auf ein baldiges Wiedersehen, gibt es nicht. Das belastet sie. Sie ist nicht oft hin gefahren. Aber es ist kein schönes Gefühl zu wissen, dass sie nicht hin kann, auch wenn sie wollte.
Kann ein Klassenzimmer im Internet sein?
dass jeder Schüler Zugang zu einem
Computer und Drucker hat.
Die Pandemie zeigt, dass die Ergebnisse
der Umfrage nicht stimmten." erzählt Ira.
Homeschooling stellt viele Eltern vor eine Herausforderung. Die Selbstständigkeit der Schüler ist gefragt, das kann und will nicht jeder Schüler leisten.
Ira unterrichtet die Klassen 5 - 9 in Spanisch, Französisch und Geographie. Sie hat viele Ideen zur digitalen Schule.
Homeschooling
Die Tendenz geht deshalb dahin, dass die guten Schüler weiterhin gute Leistungen erbringen und die schlechten Schüler, die sich im Präsenzunterricht schon schwer getan haben, noch schlechter werden.
Nicht alle Eltern können ihre Kinder zuhause unterstützen. Gründe dafür gibt es viele:
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"Es gibt genug Laptops für jeden Schüler."
An ihrer Schule können sich Kinder einen Computer ausleihen, wenn sie zuhause keinen haben. Es gäbe theoretisch genug für jeden Schüler.
Trotzdem zeigt die derzeitige Situation, was für ein starker Nachholbedarf in der digitalen Ausstattung der Schulen besteht. Oft müssen die Lehrkräfte improvisieren, was ein besonderes Engagement voraussetzt.
Man ist genügsamer geworden
Mal wieder ein Restaurantbesuch, im Café draußen sitzen, in den Urlaub fahren. Man wird das alles wieder viel mehr zu schätzen wissen, wenn die Pandemie vorbei ist. Da ist Ira sich sicher.
Den Osterurlaub in Mailand musste sie absagen.
Für die nächsten Ferien würde ihr ein Ziel in Bayern oder woanders in Deutschland schon vollkommen genügen.
"Es muss nicht mehr weit weg sein, man ist genügsamer geworden."
Gastronomie SOLG
Charlotte
Charlotte steht auf dem Odeonsplatz.
Hinter ihr sind leere Stühle auf dem ganzen Platz verteilt.
Gastronomen aus der ganzen Stadt haben sie aufgestellt und mit dem Namen ihrer Restaurants versehen, um auf ihre Not aufmerksam zu machen.
Charlotte arbeitet für einen Getränkehersteller und -zulieferer in der Münchner Gastroszene im Kooperations- und Eventmanagement. Heute findet sie sich mit Mund-Nasenschutz auf dem Odeonsplatz wieder- als Demonstrantin.
Durch ihren Job wird sie Mit-Initiatorin der Bewegung "Save our local Gastro". Eine Initiative der Münchner Gastronomen, um die Münchner Gastronomie zu retten.
(Foto: Aqua Monaco GmbH)
München ohne Wirtshäuser & BiergärtenMünchens GastronomieFür Münchens bunte Gastronomie ist die Pandemie eine Katastrophe
Wenn man bei gutem Wetter im April an den leeren Biergärten vorbeigeht, am geschlossenen Hofbräuhaus und über einen verwaisten Viktualienmarkt, dann ist es als ob man München ein Stück Seele graubt hätte. Es ist beklemmend.
Ein Getränk auf einer Bierbank in Gesellschaft anderer. Das hat viel vom Lebensgefühl in München ausgemacht.
Für die Gastronomie in der Stadt wird die Schließung in der Pandemie zum Überlebenskampf.
Einen Nachholeffekt wie in anderen Branchen wird es nicht gebenExistenzangst
99% der Mitarbeiter in der Gastronomie geraten im April in die Kurzarbeit. Auch hierbei trifft es sie stärker als andere. Sie erhalten zwar 60-67% der bisherigen Einkünfte. Die verlorenen Trinkgelder aber ersetzt ihnen keiner. Die meisten kommen so nicht mal mehr auf die Hälfe ihres Einkommens.
Die Besitzer der Wirtshäuser, Schänken und Restaurants fürchten um ihre Existenz.
Charlotte erklärt, dass die Branche in München besonders gefährdet ist, da die Mieten in der Stadt sehr hoch sind und viele Gastronomen ohnehin hoch verschuldet sind.
Besonders die jungen Restaurants sieht Charlotte in Gefahr. Weitere Schulden bauen eine nicht abbezahlbare Bugwelle an Krediten auf. Ein Sterben auf Raten für die Gastronomen.
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München bringt´sBayrisch to goDie Suche nach neuen Wegen der Bewirtung ist der Versuch zu Überleben
Die Münchner Gastronomen helfen sich während der Panedemie mit kreativen to go Angeboten unter hohen hygienischen Ansprüchen.
Die Suche nach neuen, kontaktlosen Wegen der Bewirtung ist der Versuch zu zu überleben. In den Augen des Save-our-local-Gastro Gremiums ist das aber ein ernüchternder Effekt.
Sie schreiben auf ihrer Facebookseite: "Das to go Geschäft und neue Geschäftskonzepte werden als Lösungen angepriesen, dabei handelt es sich in den meisten Fällen um ein Minusgeschäft."
In dem Facebookpost steht auch, dass laut der DEHOGA erst 60% der Gastronomen eine Soforthilfe erhalten haben und erst 10% die Zahlungen zum Kurzarbeitergeld.
Der Staat hilft den Gastronomen. Aber er hilft langsam. Wenige Wochen später entscheidet er unter anderem eine Mehrwertsteuersenkung.
Veränderung
Exkurs Poltik / Krisenmanagement / Beliebtheit
Söder - Der KrisenmanagerPlötzlich beliebt
Exkurs Konzerne und andere Unternehmen
AdidasPlötzlich verhasstDarf man mit 2 Milliarden Euro Gewinn um Steuergelder bitten?
In der Sendlingerstraße ist eine der weltweit 2500 Adidas Filialen.
Der Konzern will die Mietzahlungen für seine Niederlassungen aussetzen und erntet dafür einen Shitstorm. Später beantragt er Staathilfen.
Exkurs Helfer & Arbeiter
Hilfe von Stadt & StaatOb Staat und Stadt genug tun? Kommt darauf an, wen man fragt.
"Wir müssen aufpassen."
Sie ist eine der neun Münchner. Die Pandemie wird ihr wenige Wochen später viel abverlangen.
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Es gibt keinen Münchner, der in der Pandemie nicht verzichten muss. Verzichten, verlieren, verlegen, verschiebenEs gibt keinen Münchner, der in der Pandemie nicht verzichten muss.
Ein Unternehmer seine Kunden.
Und die am wenigsten haben, verlieren am meisten.
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