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Die Faszination für das Fliegen begleitet den Menschen bereits seit Jahrhunderten, doch erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Luftfahrt Wirklichkeit. Mit dem ersten motorisierten Flug der Brüder Wright im Jahr 1903 begann das Zeitalter moderner Luftfahrt.
Knapp ein halbes Jahrhundert später, 1957, begann mit dem Start des ersten Satelliten Sputnik durch die Sowjetunion ein völlig neues Kapitel, die Ära der Raumfahrt.
Von Beginn an war klar, dass Bauteile für Flugzeuge und Satelliten möglichst leicht sein müssen, da jedes Gramm Gewicht entscheidenden Einfluss auf Treibstoffverbrauch, Kosten und Effizienz einer Mission hat. Gerade in der Raumfahrt sind minimale Gewichtsersparnisse oft entscheidend dafür, ob eine Mission möglich ist oder nicht.
Bis vor wenigen Jahrzehnten wurden Flugzeug- und Satellitenbauteile ausschließlich mit traditionellen Fertigungsmethoden wie Fräsen oder Schmieden hergestellt. Typische Beispiele hierfür sind Flugzeugtragflächen aus gefrästem Aluminium oder Satellitengehäuse aus geschmiedetem Metall. Diese Verfahren waren oft aufwendig, materialintensiv und konnten die komplexen Anforderungen moderner Luft- und Raumfahrttechnik, wie geringes Gewicht bei gleichzeitig hoher Stabilität, nur eingeschränkt erfüllen. Seit den 1980er Jahren brachte eine neue Technik, die sogenannte additive Fertigung oder auch 3D-Druck genannt, völlig neue Möglichkeiten.
Der 3D-Druck ist mehr als nur ein neues Herstellungsverfahren. Er verändert die Art, wie in Wissenschaft und Industrie gedacht und gearbeitet wird. Forscherinnen und Entwickler können ihre Ideen schneller in die Realität umsetzen. Bauteile werden nicht nur leichter, sondern auch individueller, effizienter und intelligenter. Der Austausch zwischen Labor und Werkhalle ist so eng wie nie zuvor.
Insbesondere in der Luft- und Raumfahrt setzen immer mehr Unternehmen auf 3D-Druck, um innovative und effiziente Lösungen zu entwickeln. Nicht viele wissen, dass auch Rolls-Royce mit der additiven Fertigung arbeitet. Das Unternehmen, das längst nicht mehr nur für Luxusautos steht, zählt heute zu den wichtigsten Triebwerksherstellern weltweit. Ian Clarke, Operations Manager bei Rolls-Royce in Großbritannien, betont den zentralen Vorteil der additiven Fertigung: „Die einzigen Grenzen sind Vorstellungskraft und verfügbare Ressourcen.“
Diese neue Gestaltungsfreiheit ermöglicht Konstruktionen, die mit traditionellen Verfahren oft nicht umsetzbar wären. Ein Fortschritt in einer Branche, in der jedes Gramm, jede Form und jede Funktion zählt.
Ian Clarke, Operations Manager in Additive Layer Manufacture UK, über die Vorteile additiver Fertigung.
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Eric Jägle, Professor für Werkstoffe für additive Verfahren an der Universität der Bundeswehr München, erforscht intensiv, wie Materialien für den 3D-Druck optimiert werden können. Besonders begeistert ihn die Möglichkeit, komplexe Gitterstrukturen oder filigrane, bio-inspirierte Bauteile herzustellen, die mit konventionellen Methoden kaum realisierbar wären. Für ihn liegt der besondere Vorteil der additiven Fertigung darin, Material exakt dort einzusetzen, wo es tatsächlich benötigt wird.
Eric Jägle über Vorteile des 3D-Drucks.
In der additiven Fertigung steht die Forschung im Mittelpunkt. Es werden kontinuierlich neue Verfahren, Materialien und Einsatzmöglichkeiten entwickelt. Besonders spannend ist dabei der Bereich Multi-Material-3D-Druck, bei dem mehrere Materialien gleichzeitig verarbeitet werden, um gezielt Bauteileigenschaften zu beeinflussen und neue Anwendungen zu erschließen.
Dr. Lucy Farquhar von der Universität der Bundeswehr München, gebürtige Britin, widmet sich dem Gebiet der Multi-Material-Fertigung. Sie betont, dass beim Multi-Material-3D-Druck nicht einfach beliebige Materialien kombiniert werden können, da an den Schnittstellen häufig spröde Bereiche entstehen, die leicht Risse verursachen. Ihre Forschung konzentriert sich darauf, optimale Materialkombinationen und Übergänge zu entwickeln, um solche Probleme zu verhindern.
Dr. Lucy Farquhar
„I'm taking two steels, which I know are compatible, creating intricate designs within a rectangular block part, and then testing how these designs influence mechanical properties like fatigue and crack propagation.”
Dr. Lucy Farquhar
Die Möglichkeit, mechanische Eigenschaften durch gezielte Geometrien zu beeinflussen, eröffnet völlig neue Perspektiven für industrielle Anwendungen.
Bilderserie von Metallstrukturen, die mit verschiedenen Materialien 3D-gedruckt werden.
Die Gitterstruktur besteht aus verschiedenen Materialien, die unterschiedlich auf Wärme reagieren, damit das Bauteil Temperaturwechseln standhält.
Nach dem Druck auf eine Platte müssen die Halter der Strukturen durch ein präzises Schneidgerät entfernt werden.
Wie bei den anderen Teilen ist auch hier ein komplexes Muster zu sehen, welches das Teil gegen Einflüsse starker Temperaturschwankungen schützt.
Die portugiesische Forscherin und Doktorantin Isabel Prestes an der Universität der Bundeswehr München arbeitet ebenfalls intensiv am Multi-Material-3D-Druck. Sie erklärt: „Mit der Multi-Material additiven Fertigung können wir Strukturen bauen, die speziell auf extreme Umgebungen wie den Weltraum zugeschnitten sind. Diese Technologie erweitert die Grenzen dessen, was in der Materialwissenschaft und im Ingenieurwesen möglich ist.“ (Übersetzung auf deutsch). Beim Einsatz im Weltraum sind die Materialien den Witterungen außerhalb der Atmosphäre ausgesetzt. Dies heißt, dass häufige Temperaturwechsel stattfinden, die sich zwischen hohen Plusgraden und hohen Minusgraden bewegen. Einzeln verbaute Materialien würden dies nur temporär aushalten und sind daher für den Weltraumeinsatz weniger geeignet.
Isabel Prestes
Beide Forscherinnen versuchen technologische Grenzen und innovative Lösungen zu entwickeln, die nicht nur in der Raumfahrt, sondern langfristig auch in vielen weiteren Branchen zum Einsatz kommen könnten. Ihre Forschung verdeutlicht, wie Wissenschaft und Technologie gemeinsam die Zukunft gestalten.
In der Welt des 3D-Drucks gibt es zahlreiche Verfahren mit jeweils spezifischen Vorzügen und Herausforderungen. Besonders hervorzuheben ist das Pulverbettfusions-Verfahren, bei dem dünne Schichten Metallpulver mittels Laser geschmolzen und Schicht für Schicht aufgebaut werden.
Bei diesem Verfahren geht es darum, dass wir eine ganz dünne Schicht aus Metallpulver (...) auftragen, (...) typischerweise 30 Mikrometer, zum Vergleich, ein menschliches Haar ist ungefähr 100 Mikrometer im Durchmesser.
Prof. Dr. Eric Jägle
Ian Clarke von Rolls-Royce gibt einen praktischen Einblick in dieses Verfahren. Rolls-Royce nutzt die SLM 500, eine Vier-Laser-Maschine, die auf einer Fläche von 500 mal 280 Millimetern arbeitet und Schichten von nur 20 Mikrometer dickem Pulver aufbaut. Clarke betont, wie schnell und flexibel Designänderungen umgesetzt werden können, da alle Anpassungen direkt über ein computer-aided design-Model, auch CAD-Modelle gennant, erfolgen und somit der Entwicklungsprozess deutlich beschleunigt wird.
Links zu sehen ist der 4-Laser-Druck von Rolls Royce, rechts der 2-Laser-Druck der Universität der Bundeswehr in München.
Ablauf eines Laserdrucks über das Pulverbettfusions-Verfahren.
Jedoch bringt diese Technologie Herausforderungen in der Qualitätssicherung mit sich. Prof. Dr. Eric Jägle erläutert, dass es entscheidend ist, größere Defekte wie Poren oder Risse zu vermeiden, da diese die Stabilität der Bauteile beeinträchtigen könnten, besonders in sensiblen Bereichen wie Luft- und Raumfahrt. Isabel Prestes ergänzt, dass bereits kleinste Abweichungen im Druckprozess erhebliche Auswirkungen auf die Qualität haben können, weshalb präzise Überwachung und Steuerung unerlässlich sind.
Gelungener Druck gemäß programmiertem Muster.
Metalle verhalten sich bei Temperaturveränderungen sehr unterschiedlich. Wird es heiß, dehnen sie sich aus. Wird es kalt, ziehen sie sich zusammen. Ein Phänomen, das wir aus dem Alltag kennen. Beim 3D-Druck nutzt man genau dieses Verhalten und dreht es teilweise sogar um. Die Idee ist es ein Bauteil so aufzubauen, dass es sich bei Wärme zusammenzieht und bei Kälte ausdehnt. Möglich wird das durch eine besondere innere Struktur, wie bei einer kleinen Sprungfeder.
Manche Metalle verhalten sich von Natur aus genau so, sie dehnen sich bei Kälte aus und ziehen sich bei Wärme zusammen. Kombiniert man solche Metalle mit anderen im 3D-Druck, kann man Bauteile schaffen, die sich gezielt bewegen. Das hilft der Struktur, auch bei starken Temperaturschwankungen stabil zu bleiben und länger zu funktionieren.
Auf dem linken Bild sieht man, was passiert, wenn der Druck fehlschlägt. Das Material ist an einer Stelle zu schnell abgekühlt und hat sich zusammengezogen. Dadurch ist eine kleine Stufe entstanden. Der Druck ist fehlerhaft. Das rechte Bild zeigt, wie es richtig aussieht. Der Druck wurde gleichmäßig aufgebaut, es gibt keine sichtbaren Fehler. Das Bauteil ist stabil und nutzbar.
Um solche Herausforderungen zu meistern, wird intensiv an verbesserten Verfahren und Qualitätssicherungsmaßnahmen geforscht. Nur durch kontinuierliche technologische Fortschritte kann das volle Potenzial des 3D-Drucks ausgeschöpft werden.
In der Raumfahrt müssen Bauteile extrem leicht, stabil und zuverlässig sein. Genau hier bietet die additive Fertigung entscheidende Vorteile, insbesondere bei der Entwicklung und Herstellung von Satellitentechnik.
Roger Förstner, Professor für Raumfahrttechnik an der Universität der Bundeswehr München, erläutert die besonderen Vorteile des 3D-Drucks für die Satellitenentwicklung. Mit dieser Technologie lassen sich Bauteile leichter und deutlich komplexer herstellen als mit herkömmlichen Verfahren. Gerade beim Satellitenbau zählt jedes eingesparte Gramm, da dies unmittelbar den Erfolg und die Effizienz einer Mission beeinflussen kann.
Ein praktisches Beispiel hierfür ist das Projekt SeRANIS, bei dem Förstner und sein Team speziell entwickelte Multi-Material-Bauteile im All testen.
Im Projekt SeRANIS testen wir spezielle Bauteile, die im Multi-Material-3D-Druck gefertigt wurden, direkt unter realen Weltraumbedingungen. So gewinnen wir wertvolle Daten für künftige Einsätze.
Prof. Dr. Roger Förstner
Die im SeRANIS-Projekt eingesetzten Bauteile werden gezielt für die extremen Bedingungen im Weltraum entwickelt und gedruckt. Laut Förstner ermöglicht es der 3D-Druck, Materialien und Strukturen präzise auf ihre zukünftige Umgebung im All abzustimmen und somit neue technologische Standards für zukünftige Raumfahrtmissionen zu setzen.
Prof. Dr. Roger Förstner über verschiedene Testverfahren.
Die Marke Rolls-Royce ist vielen vor allem für ihre edlen Autos bekannt. Doch das britische Unternehmen ist ein globaler Technologiekonzern und zählt zu den führenden Herstellern von Triebwerken für die zivile und militärische Luftfahrt. Besonders bekannt ist Rolls-Royce für seine leistungsstarken, hochkomplexen Turbofan-Triebwerke, die in modernen Passagierflugzeugen wie dem Airbus A350 oder der Boeing 787 verbaut sind.
Leif Rackwitz, Experte für additive Fertigung bei Rolls-Royce Deutschland, erläutert, dass der 3D-Druck vor allem dazu dient, Bauteile in Triebwerken effizienter und schneller herzustellen. Ein zentrales Beispiel ist die Brennkammertechnologie: „Wir haben den 3D-Druck ganz früh für erste Prototypen und Prüfstandtests angewendet […].“ Diese Entwicklung und Erprobung von Bauteilen führe laut Rackwitz zu erheblichen Zeitersparnissen und verbesserten Produkten.
Einen der großen Vorteile sieht Rackwitz darin, dass mehrere Einzelkomponenten direkt zu einem einzigen Bauteil kombiniert werden können. Dies kann bei entsprechender Optimierung Gewicht sparen und bei entsprechender Formgebung gleichzeitig die Leistung verbessern. Außerdem könnte die additive Fertigung laut ihm eine wichtige Rolle bei der schnellen Bereitstellung von Ersatzteilen spielen, insbesondere wenn es Probleme in traditionellen Zulieferketten gibt.
Ian Clarke, Operations Manager bei Rolls-Royce in Großbritannien, sieht die Zukunft der additiven Fertigung ebenfalls positiv. Er hebt hervor, dass additive Verfahren das Potenzial haben, die Konstruktion von Bauteilen grundsätzlich zu verändern und neue Designmöglichkeiten zu schaffen. Clarke erklärt: „Die additive Fertigung wird langfristig zu einer entscheidenden Technologie, die traditionelle Verfahren ergänzen und teilweise ersetzen wird.“
Mitarbeiterin von Rolls Royce am 3D-Drucker.
(Credit: Rolls Royce)
Neben der Präzision in der Produktion spielt auch die Arbeitssicherheit eine zentrale Rolle. Da mit feinem Metallpulver gearbeitet wird, ist ein sorgfältiger Umgang unerlässlich. Schon kleinste Staubpartikel können beim Einatmen gesundheitsschädlich sein – deshalb gelten strenge Sauberkeits- und Sicherheitsvorgaben, etwa durch spezielle Schutzkleidung und Absauganlagen.
Rolls-Royce demonstriert mit dieser Nutzung, wie additive Fertigung industriell erfolgreich eingesetzt werden kann und welche langfristige Bedeutung sie für die Luftfahrtindustrie besitzt.
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Die additive Fertigung verändert bereits heute zahlreiche Branchen und verspricht auch für die Zukunft weitreichende Neuerungen. Wir haben die Experten gefragt, wo sie die Zukunft der additiven Fertigung sehen.
Die additive Fertigung wird uns ermöglichen, komplexe Satellitenstrukturen leichter und gleichzeitig stabiler zu bauen. Wir werden Dinge herstellen, an die wir heute noch nicht denken.
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Roger Förstner
Ich denke, Multi-Material additive Fertigung wird entscheidend sein, um speziell für extreme Umgebungen entwickelte Strukturen herzustellen, besonders im Weltraum.
Isabel Prestes M. Sc.
Ich sehe additive Fertigung nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zur traditionellen Fertigung (...), in der beide Methoden optimal zusammenarbeiten.
Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Eric Jägle
In Zukunft werden wir in der Lage sein, Materialien präzise auf bestimmte Anforderungen hin maßzuschneidern, was völlig neue Anwendungen ermöglicht.“
Dr. Lucy Faquhar
Die additive Fertigung wird langfristig zu einer entscheidenden Technologie, die traditionelle Verfahren ergänzen und teilweise ersetzen wird. […] Sie eröffnet völlig neue Möglichkeiten im Design.“
Ian Clarke, Operations Manager ALM - Rolls Royce UK
Ob in der Forschung, der Industrie oder der Raumfahrt – additive Fertigung ist längst mehr als nur ein Trend. Was vor wenigen Jahrzehnten als Nischentechnologie begann, entwickelt sich heute zu einer Zukunftstechnologie für die Wissenschaft und Industrie.
Die Aussagen der Expertinnen und Experten zeigen: 3D-Druck ist gekommen, um zu bleiben. Eine Technologie, die Denkweisen verändert, Grenzen verschiebt und Menschen inspiriert.
Man sollte offen sein und daran glauben, dass nichts unmöglich ist. Denn eines habe ich erkannt: Nichts ist unmöglich.
Ian Clarke, Operations Manager ALM - Rolls Royce UK
Ich würde sagen, man sollte offen sein und daran glauben, dass nichts unmöglich ist. Egal ob in Design, Produktionstechnik, Qualitätskontrolle oder im täglichen Betrieb – es geht immer darum, mutig genug zu sein, das Gewohnte zu hinterfragen und die Möglichkeiten neuer Ansätze zu prüfen. Denn eines habe ich erkannt: Nichts ist unmöglich.
Ian Clarke, Operations Manager ALM - Rolls Royce UK
Ian Clarke (Rolls Royce UK) zum Thema Offenheit und Mut zu Neuem.