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Wenn der Einsatz Spuren hinterlässt



Erinnern und Gedenken



Daniel Zawadzky empfand die Einsatzzeit als Daueranspannung:

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Daniel Zawadzky erinnert sich an den Einsatz zurück. Sarajevo, Anfang der 2000er. Die Emotionen, die Anspannungen, für ihn fühlt es sich an, als wäre es erst gestern gewesen. Trotzdem bleibt er gelassen, macht hin und wieder Witze. Er wohnt mit seiner Familie im dritten und damit obersten Stock eines Mehrfamilienhauses, auf seinem Balkon genießt er die Aussicht. Hier in seinen eigenen vier Wänden voller Familienbilder fühlt er sich sicher – doch das war nicht immer so. Ist er mit den Erlebnissen wirklich im Reinen, oder überspielt er nur seine innere Unruhe?

Bei der Bundeswehr war er Sanitäter und Elektromechaniker. Heute ist der 48-jährige für ein regionales Eisenbahnunternehmen tätig. Als Betriebsdisponent koordiniert er 150 Mitarbeiter und 40 Züge.

Er ist Vater von zwei Kindern, einem Sohn (14) und einerTochter (22). Sie war damals auch der Grund, das Dienstverhältnis bei der Bundeswehr zu beenden. Auf Nachfrage erklärt er, dass er durchaus hätte verlängern können, das aber nur in Verbindung mit der Teilnahme am Afghanistaneinsatz. Der Oberstarzt hatte ihn gefragt, ob er mit da runterkommen würde.

„Dadurch, dass meine Tochter frisch auf der Welt war, habe ich das dann abgelehnt. Wäre sie nicht gewesen, wäre ich mitgegangen.“

Da ist er sich sicher, trotz der Erlebnisse in Bosnien, „weil die Truppe gestimmt hat, mit der ich darüber gegangen wäre. Das ist auch etwas, was ganz, ganz viele vergessen. Wenn du die richtige Truppe um dich rumhast, machst du so ziemlich alles. Weil das ist wie Familie. Du fühlst dich sicher.“

















In den Einsatz gehen – eine schwerwiegende Entscheidung. Man weiß nie, was einen dort erwartet. Gerade in den ersten Einsätzen der Bundeswehr war das schwierig. Keiner wusste, was auf die Soldatinnen und Soldaten zukommen würde.

Nach dem Zerfall Jugoslawiens brach ein kriegerischer Konflikt zwischen den dortigen Ethnien aus. Er war geprägt von schweren Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen. Im Jahr 1995 begann die NATO die Friedenssicherung in Bosnien-Herzegowina und Kroatien – zuerst im Rahmen der Implementation Force (IFOR). Von Anfang an unterstützte die Bundeswehr IFOR, welche 1996 zur Stabilisation Force (SFOR) umgewandelt wurde, mit Personal und Material. Die Mission endete 2004. Insgesamt waren rund 63.500 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr dort eingesetzt.

Unter ihnen: Hauptgefreiter Daniel Zawadzky

Von November 2000 bis April 2001 war er im Bosnien-Einsatz, genauer in Sarajevo, stationiert. Im Schwerpunkt begleitete er als Sanitäter Patrouillen und Erkundungen. An die genauen Aufträge kann er sich nicht mehr erinnern. “Das war kurios. Wir wollten uns irgendwas angucken fahren, keine Ahnung mehr was.“

An eines kann er sich aber noch sehr genau erinnern: das Führen von Schusswaffen. “Da hast du halt… ja Waffen. Hast du dabei, ist ja klar, ohne Waffen fährst du nirgendwo hin.“ Das schlimmste Erlebnis für ihn, war das Zielen auf Menschen – keine feindlichen Kräfte, sondern Kinder. “Da war eine Gruppe von Kindern und die wollten halt die Magazine klauen.“







Also das hast du ja relativ häufig gehabt – gehört hat es wahrscheinlich keiner – dass die Kiddies versucht haben, den Soldaten die Magazine zu klauen, oder oder oder... Wenn du dann mal durchziehen musst… dann ist halt doof.

Daniel Zawadzky











Nach stundenlanger Suche birgt Daniel seinen Schatz. Stolz präsentiert er Fotos und Patches aus dem Einsatz.

Zuhause war es das erste dreiviertel Jahr echt schwer, da gab es kein sicheres Umfeld. Soweit irgendwo eine Tür geklackt hat, stand ich mit einem Knüppel vor der Tür. Also wirklich aus dem Schlaf rausgeklatscht, fertig.

Daniel Zawadzky



Wieder in der Heimat, sieht er sich mit den Folgen des Einsatzes konfrontiert. Er bezeichnet es als Schutzreflexe, Instinkte. Albträume hatte er keine, Flashbacks auch nicht, aber im Alltag und in der eigenen Wohnung ging es ihm wie vielen Betroffenen. Mit dem Rücken zur Tür sitzen, plötzlich laute Geräusche oder Leute, die auf der Straße hinter einem gehen – Dinge, die viele Einsatzheimkehrer nicht verkraften können.

“Ich geh hoch. Wie eine V1. Ich kann mich bremsen, alles gut. Aber der erste Instinkt ist: da drauf.“



Daniel war nie in Therapie, hat seine Probleme selbst bewältigt. Und ohne Behandlung erfolgte auch keine Diagnose.

“Eindeutig. Gab keine Therapien zu der Zeit. Gab ja nicht mal Nachgespräche.“

Letzteres enttäuscht ihn nach wie vor. Er fühlt sich nicht gewürdigt und hofft, dass es heute anders läuft. “Ich bin gelandet, habe mich in meiner Truppe gemeldet und fertig war es. Das war Einsatznachbereitung. Und dann warst du vielleicht noch mal beim Onkel Doktor, hast noch mal Blut abgegeben und dann war es das. Ja, das war Einsatznachbereitung 2001. So, mehr gab es da nicht.“











Genau das ist das Problem, weil im Endeffekt warst du für die Bundeswehr irgendwo im Einsatz. Du machst es ja nicht für dich selber. Also hat irgendwie, finde ich zu mindestens, die Bundeswehr dafür zu sorgen, dass sie die Leute auffängt.

Daniel Zawadzky







Doch die Bundeswehr hat gelernt. Der Dienstherr betreibt nun intensive Einsatzvor- und Nachbereitungen. Auch psychologisch. Die Betreuung der Soldatinnen und Soldaten bekam einen anderen Stellenwert.

Reden – das ist der grundsätzliche Ansatz. Ob mit Freunden, Kameraden, Psychologen oder der Familie. Bei wem man sich am ehesten öffnen kann, ist einem selbst überlassen. Daniel hat für sich beschlossen, dass er nicht mit Therapeuten oder Psychologen reden möchte.

“Meine erste Frage war, ob er im Einsatz war. Nein? OK, dann brauchst du nicht weiterreden. Tschüss. Wer es nicht kennt, mit dem rede ich nicht.“ Er konnte sich nur Leuten anvertrauen, die Ähnliches erlebt haben und Erfahrungen teilen können. Mit anderen Einsatzveteranen war es ihm möglich, über das Erlebte zu sprechen.









Andere Betroffene schweigen jahrelang, leben unter dem Bann ihres Traumas. Oft sind es die Partner, die sie zur Therapie überreden. Diese kann nur freiwillig erfolgen, zwingen kann man die Leute nicht, denn eine erzwungene psychologische Behandlung würde ihre Wirkung verfehlen.

Heute sind die Angebote besser, das Thema PTBS erhält mehr Aufmerksamkeit und auch für Angehörige gibt es entsprechende Anlaufstellen.

Ein ähnliches Erwachen wünscht Daniel sich auch im Umgang mit Veteranen. “Eine Wertschätzung wäre nicht schlecht.“ Er und andere Veteranen wollen gewürdigt werden, auch nach der aktiven Dienstzeit. Ähnlich der Erinnerungskultur für gefallene und verstorbene Bundeswehrangehörige.



Es geht um eine stille Wertschätzung und das Würdigen der Pflichterfüllung. Denn die hinterlässt bei vielen Einsatzveteranen auf ewig Bilder im Kopf – und einige haben dafür ihr Leben gelassen.



Ein solcher Ort der Würdigung für Verstorbene im Dienst der Bundeswehr ist das Ehrenmal der Bundeswehr am Bundesministerium der Verteidigung in Berlin. Die Löcher in den Metallwänden des metergroßen Konstrukts repräsentieren Erkennungsmarken und bilden morsekodiert den Treueeid der Bundeswehr.



Nüchtern findet Daniel abschließende Worte über die Wichtigkeit psychologischer Betreuung und das Gedenken an ehemalige Soldaten:

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Weitere Informationen und Hilfe für Betroffene und Angehörige finden Sie online:

https://www.bundeswehr.de/de/betreuung-fuersorge/ptbs-hilfe/ansprechpartner

https://www.bundeswehr.de/de/betreuung-fuersorge/ptbs-hilfe/informationen-ptbs-angehoerige